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Die Astronomie-Seiten von Mario Weigand

Wann friert das Seeing ein? (Belichtungszeit)

Illustration zur Auswirkung von Luftturbulenzen.

Hier ist ein wenig Theorie zu Thema Seeing und Fotografie: Bei der Planetenfotografie spricht man oft vom einfrieren des Seeings. In der Deep-Sky-Fotografie funktioniert dies im allgemeinen nicht. Der Unterschied liegt in den Belichtungszeiten, die bei Planeten nur Sekundenbruchteile betragen, im Deep-Sky-Bereich hingegen einige Minuten.

Wo ist die Grenze zwischen beiden Szenarien?
Das Seeing hat seine Ursache in den Turbulenzen in der Atmosphäre. Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Belichtungszeit ist also:

Wie lange dauert es im Mittel, bis sich das Abbild
eines Objekts durch das Seeing stark verändert?

Der erste ausschlaggebende Faktor ist die Länge, über die eine Wellenfront ungestört bleibt, was mit dem Friedparameter r0 ausgedrückt wird. Das ist quasi die Größe der Turbulenzzellen. Natürlich ist sie nicht fest, da sich die Größe der Luftzellen ändert: Je größer der Friedparameter, desto besser das Seeing. Schaut man sich im Netz ein wenig um, dann findet man für gute Standorte, dass r0 typischerweise im Bereich von 10 cm für grünes Licht liegt, womit deutlich wird, warum kleine Teleskope weniger "Seeing-empfindlich" sind. Weiterhin wächst r0 mit der Wellenlänge – daher die verbreitete Nutzung von Langpassfiltern zu "Beruhigung" des Seeings. Je größer der Friedparameter, desto besser das Seeing.

Die typische Zeit, bis sich das Abbild eines Objekts durch das Seeing sichtbar verändert, wird mit τ0 bezeichnet. τ0 ist ebenso wie r0 eine Funktion der Wellenlänge. Turbulenzzellen entwickeln sich im Allgemeinen relativ langsam, sodass die Windgeschwindigkeit der zweite ausschlaggebende Faktor für Veränderungen ist. Zusammen mit den typischen Windgeschwindigkeiten ergeben sich aber Werte im Bereich von wenigen Millisekunden.

Dies bedeutet, dass man im Bereich einiger Millisekunden Belichtungszeit anfängt, das Seeing einzufrieren. Darüber gibt es deutliche Bewegungsunschärfe. Die notwendigen Belichtungszeiten sind also weit von denen im Deep-Sky-Bereich entfernt. Nur bei der Planeten-, Sonnen- oder Mondfotografie kann dies funktionieren. Belichtungszeiten lassen sich aber auch hier nicht beliebig verkürzen, da sonst andere Probleme auftreten. Bei der Planetenfotografie bewege ich mich in der Praxis gerade so im Grenzbereich. Hier einige grobe Beispiele – bei der Sonne sind die verfügbaren Lichtmengen natürlich am komfortabelsten:

Objekttyp. Belichtungszeiten Objekttyp. Belichtungszeiten
Sonne/Cak1-5 ms Saturn50-100 ms
Sonne/Weißlicht1-5 ms Jupiter30-40 ms
Sonne/H-Alpha3-30 ms ISS1 ms
Mond Grün5-15 ms Venus (VIS)1-10 ms
Korrekturmöglichkeit bei langen Belichtungszeiten
Der überwiegende Anteil der Bildstörungen sind Tip/Tilt-Bewegungen (≅ 70%). Mit einer Adaptive Optik kann dieser Teil der Störung auf mechanischem Weg teilweise korrigiert werden. Solche Systeme funktionieren über eine mit hoher Frequenz um kleine Winkel verkippbare optische Planplatte oder einen entsprechenden Spiegel (siehe z.B. SBIG AO-7/8/L...).



Für die Arbeit mit einem solchen System ist ein Off-Axis-Guider erforderlich, da die Nachführkamera die gleichen Störungen sehen und daher durch dieselbe Optik schauen muss. Zudem ist ein heller Leitstern notwenig, der kurze Belichtungszeiten für eine hohe Korrekturrate ermöglicht. Dies zeigt, dass die Verwendung einer Adaptiven Optik schwierig und nicht in jedem Fall möglich ist. Die Profis behelfen sich nicht ohne Grund mit künstlichen Laserleitsternen...

[Artikel vom 01.02.2018]